Nebra, Krieg und Hemingway
08.12.15 22:00 2015102015
Pünktlich ab 10 Uhr gilt unser Tagesfahrschein der LVB. Die S-Bahn bringt uns vortrefflich nach Halle. Dem Hauptbahnhof entronnen unterqueren wir eine Eisenbahnbrücke und staunen. Unterhalb einer Hochstraße in alpiner Höhenlage ist eine Art Betonkraal entstanden mit niedlichen aber zumeist geschlossenen Lädchen ringsum. Nach seiner Durchwanderung begrüßt uns eine Ladenfront, die mich fatal an Konsum oder HO erinnert. Doch schon erheben sich erste Zeugnisse einer ehrwürdigen Stadtkultur und tatsächlich tauchen wir schnell in die Innenstadt ein. Und die kann sich wahrhaftig sehen lassen! Mittendrin, rund um Händel, vor den Toren der Marktkirche, erfreut uns ein attraktiver Weihnachtsmarkt. Und das Highlight: auf der Terrasse im vierten Obergeschoss der Galeria Kaufhof - im Freien (!!!) - genießen wir Sonne, Latte und Cappuccino mit herrlichem Blick auf die Budenlandschaft mit Menschengewimmel. Toll. Der Nachmittag setzt museale Zeichen. Im Landesmuseum für Vorgeschichte durchwandere ich die Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit. In der Frühbronzezeit begegnet mir die Himmelsscheibe von Nebra der ich mit einem gerüttelt Maß an Bewunderung gegenübertrete. Sie residiert, effektvoll illuminiert, in einem knallfinsteren Raum. Der dort stationierte Museumsaufseher steht in der ständigen Gefahr von blind herumtappenden Besuchern angerempelt zu werden. Eine Etage tiefer fallen Bronze-, Eisen- und Römerzeit auf über mein diesbezüglich völlig leeres Hirn her, so dass ich mich erst auf ein Sofa und dann in einen Filmsaal flüchte. Dort stimmt uns ein starker Film über Ausgrabungsarbeiten zur Schlacht von Lützen auf den Hauptgrund unseres Museumsbesuchs ein: „Krieg - eine archäologische Spurensuche“. Das Museum schließt und unsere Führung beginnt. Ich lerne viel über den letzten Kampf von Gustav Adolf dem Zweiten gegen Wallenstein, über seinen Tod, über wiederausgebuddelte Kriegstoten dieser Zeit und über Gemeinheiten beim Kriegswaffenbau (von der Keule bis zur Muskete) sowie über vielerlei menschliche Abgründe. Zum Ausgleich der Überbelastung höhergelegener Körperregionen finden wir ein apartes italienisches Restaurant, das für eine fachkundige Verfüllung mittlerer Partien Sorge trägt. Ein Manhattan und ein Hemingway in der Mephisto-Bar setzen den Schlusspunkt des Tages. Fast neun Kilometer sind wir gelaufen. Im Hotel: verschäfter Physiologieprotest - gemildert durch Tiefschlaf. Es geht voran. Irgendwie.
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