Liebespflegedienst
10.10.14 22:00 2014102014
Es ist ein sehr eigener Billboard-Abend: Poetry-Slam über Frau-Mann-Beziehungen. Die Texte sind kunstvoll humorig formuliert, äußerst zuhörenswert vorgetragen und rein akustisch sehr leicht zu verstehen (inhaltlich übrigens ebenso). Allein die Sichtweise, sprich das Spektrum der Geschlechterbeziehungen stimmt mich schwer nachdenklich. Wenn man primär den Blick auf die sexuellen Aktivitäten richtet und darüber hinaus noch erwartet, dass der Partner dem eigenen Ego seine Huldigungen entgegenbringt, kann man logischerweise nur kurzfristige Bindungen erreichen, wenn überhaupt. Wir Menschen sind faszinierende Wesen. Es ist noch gar nicht so lange her, da beschwor man (Mann?) das Bild des durchsetzungsfähigen Ehemannes mit der gehorsamen Ehefrau an seiner Seite. Das hat nach außen ein funktionierendes Bild vorgegaukelt, vor allem wenn die Frau kuschte, im Innern ist es vielfach gescheitert, hat mit gesellschaftlicher Gewalt zusammengepresst, was schon lange nicht mehr zusammengehörte und manche Seele kaputtgemacht. Heute scheint die Paarung der Selbstbewussten, genauer betrachtet der Egoisten, das Vorbild zu sein. Logischerweise funktioniert das ebensowenig, denn wer will schon permanent im Gewitter leben. Wer, Pilcher oder Lore-Roman hin und her, Liebe als ein über einen Menschen hereinbrechendes Ereignis betrachtet, das kommt und geht wie es will, der sollte sich auf sehr kurze, wechselhafte Partnerschaftsgeschichten einstellen. Liebe kann man zwar nicht machen, wohl aber hegen und pflegen, hätscheln und sogar - sollte sie am Boden liegen - neu beleben. Dieses "Geheimnis" scheint seit Generationen verborgen vor sich hin zu vegetieren. Schade drum.
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