Tag 23 - ein Sonntag

Nachdem uns ein leichter Seegang am Tag zuvor in den Schlaf geschaukelt hat, erwachen wir im Hafen von Torvik. Die nächtlichen Anlegemanöver haben wir verschlafen. Viel bekommen wir auch von Torvik nicht mit, denn nach der Morgentoilette sind wir schon wieder unterwegs. Das Frühstück ist kaum verzehrt, da sind wir schon in Ålesund, ein kleine norwegische Stadt noch im Sonntagsschlaf. Eine Dreiviertelstunde Aufenthalt lässt nur einen kleinen Spaziergang zu. Markant sind die zahllosen Boote, die vor Anker liegen - hat eigentlich jeder Norweger sein eigenes Bötchen? Vom Wasser aus sind die direkt am Ufer steil ansteigenden Berge äußerst beeindruckend, die infrastrukturellen Auswirkungen führen uns ein paar Straßen in Ålesund vor: sie erinnern stark an die weltbekannten "Straßen von San Franzisko".

Auf geht's in unseren ersten Fjord, wie man ihn sich so vorstellt: schmal (relativ), hohe Berge zu den Seiten, geziert mit einer Schneehaube und zu ihren Füßen jeweils Ferienhäuser, Bootsschuppen und kleine Häuser im Wechsel. Noch enger wird es im Hjørundfjord. Bei Urke werfen wir den Anker und die Ausflügler verlassen unser schwimmendes Domizil und vertrauen sich für die kurze Überfahrt einem kleineren Fahrzeug an.

Ich nutze die Zeit für Notizen, Entspannung - schließlich sollte ich den letzten Urlaub meines Lebens in vollen Zügen genießen - und komme tatsächlich ein wenig zum Lesen. Doch die lange, kurze Pause ist schnell vorbei, nach Einschiffung der letzten Bustouristen geht es zurück nach Ålesund. Wir machen am bekannten Pier fest, laden und entladen was auch immer und machen uns wieder auf den Weg.

Beim Abendessen wurden wir "Opfer" einer Fehlplanung. Man hatte uns doch tatsächlich den persönlichen Tisch einer Reiseleiterin zugewiesen. Das geht ja gar nicht! Sehr freundlich wurden wir neu "platziert". Zwei ältere Damen sollten uns gegenüber Platz nehmen. Voller Verachtung lehnten sie das ab: "Wir wollen doch nicht während des ganzen Essens gegen eine Wand starren." Schon ein eigenartiges Gefühl als Wand wahrgenommen zu werden. Vielleicht sollte ich mich zuhause um eine passende Tapete kümmern. Egal, so hatten wir ladyfreien Blick auf die See.

Es wird dunkel, gegen 21 Uhr treffen wir beim Anlegen in Molde die MS Richard With, ein Schiff der vorangehenden Generation, das sich auf der Südtour befindet. Auf einer Reise sieht man sich halt immer wieder einmal und könnte, wenn man nachts wach bliebe, fast alle Hurtigrutenschiffe wenigstens optisch kennenlernen.
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